Vorwort zum 31. Internationalen TheaterFest

Hochverehrtes Publikum! Liebe Freund:innen!

Seid alle willkommen! Seid unerhört willkommen zum 31. TheaterFest der AGORA, das wir in Kooperation mit dem Creative Europe Projekt „BABEL or The Art of Listening in Theatre for Young Audiences“ – Babel oder die Kunst des Zuhörens im Theater für junge Zuschauer:innen – veranstalten!

Unerhört haben wir das Festival überschriftet, weil uns das Spiel mit dem Wort gefällt. Ist gemeint: außerordentlich interessant, ungeheuer, unerwartet oder: empörend, unversch.mt, haarsträubend? Und worauf bezieht sich der Ausruf? Auf die politische Lage? Die Jugend? Das, was für uns fremd ist? Das Fremde? Die Anderen?

Um das herauszufinden bedarf es des Zuhörens. Des Hinhörens. Des Einlassens auf Fragen und auf Unsicherheit. Freundschaft definiert die politische Denkerin Hannah Arendt als Gleichheit bei absolutem Unterschiedlichsein. Darin liegt eine Hoffnung, die aus Neugier und Interesse entsteht und nicht aus Sicherheit.

Sicherheit war und ist kein Referenzpunkt für Kultur und Theater. Die Ungewissheit unserer Zeit geht allerdings weit über diesen Gedanken hinaus. Wohin sich die Folgen der Pandemie, der Klimakatastrophe und der gegenwärtigen Geopolitik entwickeln werden, ist nicht abzusehen. Wetten auf mögliche Zukünft finden momentan in einer größeren Unsicherheit statt, als wir uns das in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vorzustellen gewohnt waren. Unser TheaterFest ist eine Einladung. An die Menschen, für die Sicherheit nicht die oberste Priorit.t hat, an alle, die gemeinsam über die Gesellschaft, in der wir leben, nachdenken wollen. An die, die gemeinsam zuhören und nachdenken wollen. An die, die an einer Arbeit für eine Gemeinsamkeit und an einer Zukunft interessiert sind, in der wir uns nicht ausschließlich mit dem umgeben, was uns bekannt ist, sondern in der wir erfahren wollen, was uns unbekannt ist.

Uns treibt ein Gedanke an, der sich in diese Zukunft richtet. Wir wollen auf dem Theater nicht vor allem Wirklichkeit abbilden, reproduzieren und als veränderbar zeigen, sondern wir wollen mit und auf dem Theater an Beispielen für eine andere Wirklichkeit arbeiten. Diese Wirklichkeit beginnt im Umgang miteinander und setzt sich fort im Engagement für das politische Potential, das dem Theater innewohnen kann. Unsere Arbeit fokussiert auf Kooperation. Wir versuchen, wo wir können, statt autoritärer Strukturen kooperative Strukturen aufzubauen. Wir sind überzeugt, dass ein vielstimmiges Miteinander viel mehr Spaß macht, als ein starres System. Verantwortung zu übernehmen macht Spaß! Gestalten macht Spaß! Sich zu streiten, etwas auszufechten und sich zu einigen ist anstrengend und macht Spaß. Und vielleicht gibt es auch nicht in jedem Fall eine Einigung, vielleicht ist manchmal aushalten gefordert, sich entfernen, eine andere Perspektive suchen. Klarheit gegenüber den eigenen Positionen und Mitteln ist vonnöten, verlernen von vermeintlich Richtigem.

Alles, was wir tun, hat Folgen. Worte und Überzeugungen formen die Welt. Unsere Narrative und Geschichten reichen beeinflussend in die Zukunft. Umso wichtiger ist es, bewusst zu kooperieren und Allianzen für ein Miteinander zu schmieden. Spätestens mit dem Erfolg des von OpenAI entwickelten Chatbots ChatGPT ist die Sorge gewachsen, dass mit Hilfe von KI-Software Falschinformationen erstellt und verbreitet werden können. Das Programm hat kein Verständnis für Inhalte: Es wird immer in sich schlüssig im Sinne der ihm bekannten Inhalte agieren. Auch wenn sich momentan die großen Tech Konzerne (wie Google, Amazon, der Facebook-Konzern Meta und Microsoft) verpflichten „eine umfassendere Regelung zu schaffen, die es den Verbrauchern erleichtert, zu erkennen, ob ein Inhalt künstlich erzeugt wurde oder nicht“, ist die Welt durch diesen Entwicklungsschritt vor neue Herausforderungen, gestellt. Es erscheint mehr als folgerichtig, dass eine KI, die mit autoritären Inhalten gefüttert wird, in eine andere Richtung wirken wird als eine KI, deren Inhalte auf Vielstimmigkeit, Verantwortung und Kooperation fokussiert sind.

Die Hoffnung liegt darin, Freundschaften und Allianzen des Unterschiedlichseins zu pflegen, uns miteinander kooperativ zu verbinden und Verantwortung zu übernehmen.

Wir freuen uns darauf, unser 31. TheaterFest gemeinsam mit Euch zu erleben!

Catharina Gadelha, Ania Michaelis, Roger Hilgers